Etappenziel Shetland Island

oder auch Shetland Inseln geschafft. Man könnte meinen, nach diesem holprigen 350 Seemeilen Ritt von Norwegen über die Nordsee, fast 3 Tage und Nächte ohne wirklichen Schlaf, mit Wind zwischen 35 – 45 kn 24 Stunden lang, einfach umzukippen und auszuschlafen. So war auch mein ursprünglicher Plan.

Es ist kurz vor 7 Uhr am Morgen, als ich unter Segeln in den Hafen von Lerwick einlaufe, weil meine Maschine nicht anspringt. Die Stadt schläft noch.

Ich grüble über meine Pannen unterwegs nach. Habe ich das Wetter falsch eingeschätzt? Wie kam es zu dem folgenschweren Unfall an Bord? Was habe ich falsch gemacht? Warum springt die Maschine auch nach dem Filterwechsel nicht an usw? Es regnet in Strömen, meine Stimmung ist nicht die aller beste.

Ich öffne zuerst den Dieseltank. Ein fast voller Tank mit einem 100 Liter Wasser-Dieselgemisch grinst mich an. Als würde es mir zurufen: ˋDu brauchst doch sonst keine Maschine, heul nicht rum.` Ich mache einen Plan zur Lösung des Problems. Voller Adrenalin gehe ich mit großen Schritten auf die Suche nach einem Fass  den Hafen entlang. Eine Gruppe von Hafenarbeitern macht sich über mich lustig. Im gleichen Augenblick schießt es mir durch den Kopf, ich könnte auch nach dem Weg fragen und drehe mich augenblicklich zu der Gruppe mit 7 Arbeitern um und frage nach, wo ich eventuell ein geeignetes Fass finden könnte. Augenblicklich verstummt das Gelächter, der Grund wird mir erst später klar: Mit klaffender Platzwunde am Kopf und dem blutverschmiertem Gesicht sehe ich nicht aus  wie auf dem Weg ins Büro. Ich finde eine Firma unweit vom Hafen, die mit allem Möglichen handelt. So auch mit kleinen Dieselfiltern. Ich schildere mein Problem und der Boss besorgt ein ausreichend großes Fass für meinen verschmutzten Diesel, fährt mich nebst Fass zum Boot zurück und meint, später wieder zu kommen, um das Fass abzuholen. Das nenne ich mal Hilfsbereitschaft. Ich pumpe den unbrauchbaren Diesel ab, wobei ich pro 20 Liter immer einen Kanister über die Hafenmauer heben muss. Schwerstarbeit und noch immer nicht müde. 3 Stunden später holt der nette Boss sein Fass wieder ab, schenkt mir noch einen Dieselfilter und sagt: „Great time on the Shetland Island“. Danke! Im Anschluss, bei meinem Besuch im Hafenbüro für die Anmeldung meines Liegeplatzes, werde ich mit: „Jesus, what happened to you?“ begrüßt. Sollte ich jetzt von großen Seemonstern berichten,  mit denen ich gekämpft habe? Ja, ich bin Einhandsegler und da kann schon mal was passieren, es ging ja alles gut. Ich bekomme Schlüssel und Wegbeschreibung zum Lerwick-Boating-Club. „Dort befinden sich Duschen und Waschmaschinen. Und das mit der Anmeldung machen wir erst ab morgen.“ Dankeschön! 30min später ist meine Wäsche in der Waschmaschine und ich endlich unter einer heißen Dusche. Es ist 12 Uhr und ich bin noch immer nicht müde. Vom Boot hinter mir lerne ich Patrick kennen, der erste Franzose der nicht französisch spricht. Patrick ist 64 und allein auf 40 Fuss unterwegs. Von La Rochelle in Frankreich zu den Farören und zurück. Alle Achtung. Er läd mich ins legendäre Peerie-Cafe gleich am Hafen zum Sandwich ein. Auch er hatte unterwegs bei dem Wind Probleme, sein Segel ist kaputt gegangen. Patrick kam schon einen Tag früher vor dem starken Wind in Lerwick an. Noch am Tisch im Cafe fallen meine Augen zu und der Kopf fast auf den Tisch. Endlich bin ich reif für die Koje. Am Abend will ich wieder dabei sein, wenn die angereisten Norweger ihr Musikfestival starten. Ab Nachmittag direkt im Hafen gibt es ohrenbetäubende keltische Musik bis spät in die Nacht. Wer will dabei schon schlafen gehen? Am Abend sieht meine Welt schon viel besser aus und ich bin froh und glücklich, heil auf den Shetland Inseln angekommen zu sein. Nach 3 Tagen Lerwick mit Pub, Sightseeing, frischem Diesel, Sandwich und wieder Pub zieht es mich weiter. Ich will Natur genießen und nicht in einer Stadt abhängen. Ich verabrede mich mit Patrick in einer Woche in Torshavn auf den Farören. Meine Fahrt geht nach Simbister auf Whalsay, einer kleinen Insel 12 sm nördlich von Lerwick. Beim Ablegen in Lerwick meldet sich das Habour-Office auf Kanal 12 und fragt mich nach Weg und Ziel. Ich antworte und lege ihn kurz bei Seite, um die flatternden Segel zu bändigen, vergesse dabei allerdings den Habourmaster am Funkgerät. Nach unglaublichen 25 min eine Stimme am Funkgerät aus meinem Salon, der Habourmaster wünscht mir einen schöne Fahrt. Ich entschuldige mich, daß ich ihn vergessen habe, er meint: „Schön das ich ein Stück mitfahren konnte.“ Was für eine Geduld. Der Hafen von Simbister ist nicht für Besucher ausgelegt. Ein Fährterminal und ein langer Steg mit Fischerbooten. 2 freie Boxen, allerdings mit einem Seil reserviert, kann ich entdecken. Absolut kein Platz für mich.

Nach 3 aussichtlosen Kreisen, immer  nach Einhandseglermanier, ruft mir ein Fischer zu, daß er eine Box für mich frei mache. Mensch, wie nett. Die Box ist 4 Meter breit, mein Boot mit Fendern etwas mehr. Es quietscht und…passt. Im lokalen Whalsay-Boatclub frage ich, ob ich eine Nacht bleiben könne und was es kostet.

Es kostet nichts und obendrauf bekomme ich eine riesen Portion Fish and Chips und den Rest der Hänchennuggets. Dankeschön! Ein Clubhaus, wie ich es mir immer vorgestellt habe. In der einen Ecke die Schafzüchter, in der anderen Ecke die jungen Schäfchen, die Mädchen, die noch einen Hüter suchen. Und lautstark in der anderen Ecke die Fischer. Fröhliches Beisammensein und ich bei Bier mit Fish ´n´ Chips mittendrin. So habe ich mir Shottland und die nördlichen Shetlands vorgestellt. Wenn ich die Shetland Inseln beschreiben soll: Flach, fehlende Bäume und ein seltsamer Dialekt der Bewohner. Weit und breit gibt es keine Wälder, nur Graslandschaft mit Schafen.

Am nächsten Morgen komme ich bei meiner ersten Runde durch den kleinen Ort mit Magret und ihrem Sohn ins Gespräch. Sie sind Krabbenfischer und gerade beim Sortieren des frischen Fangs. Immer per 10kg kommen die wiederspenstigen Schalentiere in einen Korb, um auf die Reise in die Restaurants nach Spanien zu gehen. Auch ich mache nach dem Frühstück klar Schiff, um ein Stück weiter zu kommen. 11 Uhr ist ablaufendes Wasser vor Whalsay, das nutze ich, um weiter nordwärts zu fahren. Ziel ist eine Bucht im Yellsound, dem nordwestlichen Ausgang der Shetlands. Ablaufendes Wasser heißt allerdings auch im Yellsound gegenan zu schippern. Mit Maschine und Windkraft schaffe ich es auf 3 Knoten über Grund. So wird die geplante Strecke um eine Stunde verlängert. In Colla Firth, der angepeilten Bucht, gibt es einen Anleger für Fischtrawler und ein paar kleine Sportboote. Ich liege super geschützt hinter einem dicken Trawler für Hering und Makrelen. Am Abend kommt der Fischer, dessen Platz ich belegt habe. Wird er mich weg schicken ? Ich packe mit an, um seinen Tagesfang von einer halben Tonne Muscheln auf einen Truck zu verladen. Das mit dem Platz ist kein Problem, der Fischer legt sich zum Kollegen ins Päckchen. Ich kann also liegen bleiben und bekomme einen Beutel voller frischer Muscheln. Wie nett, mal wieder ein Dankeschön! Zum Glück habe ich noch nicht gegessen. Ich verputze die Hälfte der Ration und falle kugelrund in meine Koje. Morgen geht’s zu den Farören. Ahoi!

 

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