X-Trip auf dem Weg zum Kap Horn

Man mag es kaum glauben! X-Trip ist am Kap Horn!

Wer bis jetzt meine Reisen verfolgt, der weiß, bei mir ist nichts unmöglich. Aber das gleichnamige Kap Horn in Chile habe ich noch nicht erreicht. Ich bin noch immer in oder auf Island und hier gibt es ebenfalls ein gleichnamiges Kap an der Nordspitze. In der Region Hornstrandir, im äussersten Nordwesten Islands, in der ich mich seit fast einem Jahr aufhalte, erstreckt sich eine Halbinsel in den Nordatlantik.

Die Halbinsel Horn und dessen Kap liegt mit 66°28 Nord sogar etwas dichter am Nordpol als das bekanntere gleichnamige Kap Horn mit 55°59 Süd in Südamerika am Südpol und zudem noch auf einer Insel. Es wird allerdings zum südlichsten Punkt Südamerikas gezählt und liegt in der kalten Antarktischen Zirkumpolarströmung. Die Wetter-und Wind-Prognosen sind allerdings identisch. Mit viel Respekt und Ehrfurcht gehe ich an die Routenplanung, denn ich muß da oben rum, um Island vollständig zu umrunden. Bei den Fischern in Isafjordur wurde mir abgeraten, mit einem Segelboot die Region östlich von Hornstrandir zu erkunden. „Wenn es da oben bläst, sind die Wellen schon mal 18 Meter hoch und keine Seltenheit.“ Weiter hieß es: „… wer da rum segelt, darf schon mal ein Bein auf den Tisch legen.“ Ah, genau das will ich, Bein auf den Tisch. Zusammen mit Antje beobachte ich das Wetter. Wir brauchen eine günstige Süd- bis Westwind-phase. Nicht zu wenig Wind, aber auch nicht zu viel. Der 130 Seemeilen Törn um die Nordspitze Islands bis nach Siglufjörður sollte in 24 Stunden abgehakt werden.

Am 21.06. ist es dann soweit. Von unserem Liegeplatz an der Mooringtonne in Isafjörður kämpfen wir uns bei 20Kn Wind aus Nordwest nach Bolungarvík, etwas weiter westlich, um eine bessere Startposition zu haben.

Am Abend laufen wir aufgeregt am Ufer von Bolungarvík auf und ab, Schaumkämme und viel Wind noch immer aus Nordwest.

Dann gegen 1 Uhr in der Nacht verstummt das Geheule im Rigg. Wir sitzen gespannt und checken noch einmal die Vorhersage. Jetzt oder nie, denn für die nächsten 7 Tage ist keine bessere Vorhersage in Sicht. Um 2 Uhr am Morgen tuckern wir um die Hafenmole von Bolungarvík. Die Welle und der Schwell vom Vortag haben sich zu Glück etwas gelegt. Bei 10 kn noch immer aus Nordwest muss sogar die Maschine ran. Ich fluche auf die Vorhersage und Messwerte meiner 4 gespeicherten Wetterdienste. Gegen 3 Uhr dann doch ein Winddreher, ich darf nicht immer so schnell urteilen.

Westwind mit 10kn stellt sich ein, super, Großsegel und kleine Genua sind gut gefüllt.

Unser Boot legt sich leicht auf die Seite. 30 Minuten später dann schon Westsüdwest, ich kann gut die Halbinsel Ritur anpeilen. Pünktlich und nach Plan erreichen wir um 6 Uhr Kap Straumnes. Nach Aussage der Fischer sollte man diesem Felsen nicht zu dicht kommen. Wir umrunden mit 3 kn Gegenstrom das Kap Straumnes mit einer Seemeile Abstand. Es herrscht Wind gegen Strom, das Wasser scheint zu kochen. Trotz mittlerweile 20 kn Wind von achtern, bewegen wir uns mit nur 2 kn Geschwindigkeit über Grund (SOG).

Die Fahrt scheint ewig zu gehen, nur ganz langsam zieht der imposante Felsen an uns vorbei. Antje, sichtlich müde von den Anstrengungen, gönnt sich eine Mütze Schlaf. Ich stehe seit 7 Stunden am Ruder, als der Himmel aufreißt, der Wind klein bei gibt und ich am Horizont die Silhouette des nördlichsten Punktes vom isländischen Festland ausmachen kann. Kap Horn. Wir beschließen einen Stopp einzulegen, denn wie selten ist es im Leben, dass man an solchen Orten verweilen kann. Das Kap besteht eigentlich aus 2 Felsen, die gemeinsam in den Nordatlantik ragen. Zwischen ihnen erschließt sich der relativ kleine 2,5 Seemeilen lange Fjord Hornig.

Der Wind weht am Kap vorbei und wir lassen uns mitten im Fjord treiben. Auch die Drohne muss mal wieder ran, um ein paar Aufnahmen für die Ewigkeit fest zuhalten. Kap Horn geschafft. Am Nachmittag angle ich aus 60m Tiefe, mit einem Wurf noch 3 fette Dorsche, bevor es weiter geht in Richtung Ost. Bis hier hin stimmte die Wettervorhersage.

Der angekündigte Starkwind aus West bleibt nun aus. Stattdessen stellt sich ein schwacher Südost ein. Von hier an beginnt ein unglaublich schöner Segeltörn. Der Wind weht für die nächsten 90 Seemeilen aus Südost. Ich setze noch das große Code Zero und wir ziehen für die nächsten 15 Stunden einen geraden Strich auf dem Kartenplotter, wie ich es noch nie erlebt habe.

Segeln vom Feinsten. Keine Wellen mit 18 Meter, nein nicht einmal 18 cm werden erreicht. Hinzu kommt noch die Mitternachtssonne. Wir haben den 21. 06. und damit den längsten Tag des Jahres. Informationen über den Sonnenaufgang- bzw. Untergang  sucht man vergebens. Denn 2 Wochen vor und nach dem 21. gibt es 24 Stunden Sonne am Tag. Beim gemütlichen Dahingleiten mit 5 kn Fahrt geniessen wir das Seglerleben in vollen Zügen. Wir erzählen, lachen, lesen, schlafen und kochen. Später gegen Mitternacht bereitet Antje bei der ruhigen See leckere Tortellini zu. Die Sonne will einfach nicht unter gehen und beginnt um 1:30 wieder zu steigen. Welch ein Erlebnis! Nach 26 Std. und 125 Seemeilen sind wir kurz vor dem Ziel. Der Wind schläft völlig ein, der Nordatlantik ist spiegelglatt, als ein Buckelwal in unmittelbarer Nähe auftaucht und uns sagen will: „Herzlich willkommen in Siglurfjörður an der Nordküste von Island !“

Wir motoren die letzten 5 Seemeilen in den Fjord, lassen den Anker vor der Stadt auf 5 Meter im Schlamm versinken und gehen nach einer Tasse Kaffee mit einem Bein auf dem Tisch in die Koje 😉 Gute Nacht.

4 thoughts on “X-Trip auf dem Weg zum Kap Horn

  1. Bei der Zielgebiets-Leserumfrage vor 2 Jahren war „Rund Britannien“ mein Favorit. Gut das Island die meisten Stimmen bekam. Immer wieder eine Freude und Privileg bei Deinen Abenteuern mitlesen zu dürfen. Danke dafür!
    Beste Grüße
    Martin (Gewinner des „Rund-Mittelmeer-Preisrätsels“ – 18 Stationen???- schon ein Weilchen her 😉)

  2. Hallo Kap Hoorniers wir gratulieren zu dem tollen Bericht, den wunderschönen Sonnenunter- und -aufgansbildern und den Fotos über die schroffen Felsenformationen. Danke dafür.

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